FAQ

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Gleichstrom

Die Energiewende ist ein notwendiger Baustein der nachhaltigen Transformation der Gesellschaft. Ein herstellerunabhängiges Gleichstromnetz (DC-Netz) ist dabei eine vielversprechende Lösung für die anstehenden Probleme und Herausforderungen der industriellen Energieversorgung. Bis heute ranken sich viele Mythen zu Gleichstrom mit denen wir hier aufräumen möchten. Im Folgenden werden wir unter DC (Gleichtrom) und AC (Wechselstrom) unterscheiden. 

1 Warum sollte ich in meiner Anwendung Gleichstrom nutzen?

Gleichstrom ist effizienter und benötigt weniger Ressourcen!

1.    An ein DC-Netz können Solarmodule  und Speicher wie Batterien und Kondensatoren einfach angebunden werden, da diese direkt mit DC arbeiten.
2.    Die komplette Bremsenergie von Antrieben lässt sich direkt nutzen – es braucht keine Bremswiderstände mehr. 
3.    Niedrigere Einspeiseleistung da die einfach integrierbaren Speicher die Spitzenlast bereitstellt. In der Modellanwendung beim Projektpartner Mercedes-Benz wurde die Einspeiseleistung um 80% reduziert. Dadurch werden weniger Ressourcen benötigt (Trafo, Stromverteilung) und auch Investitionskosten gesenkt. 
4.    Höhere Verfügbarkeit: Die Speicher stellen genug Energie für ein kontrolliertes Herunterfahren  bei Netzausfall bereit. Wenn das Netz wiederkehrt, kann die Produktion wieder starten, ohne dass defekte Teile entfernt werden müssen oder Geräte zurückgesetzt werden müssen. 
5.    Viele Anwendungen nutzen intern ohnehin schon DC, zum Beispiel Frequenzumrichter. Direkte Verbindung dieser DC Zwischenkreise macht viele AC-DC Umwandlungen überflüssig  und erlaubt die unmittelbare Nutzung von Bremsenergie.
6.    Einfacher Inselnetzbetrieb durch integrierte unterbrechungsfreie Stromversorgung ohne zusätzlichen Aufwand, ohne weitere Komponenten und mit geringeren Umwandlungsverlusten.
7.    Mit  DC wird in den Kabeln weniger Kupfer benötigt – siehe Frage 4: Für einen 7.5 kW Motor sind es 50% weniger Kupfer. Im DC-Netz entfallen die lokalen AC-DC Wandler.

2 Welche Spannung wird für Industrieanwendungen empfohlen?

Wir definieren zwei Nennspannungen abhängig von der Art der Anbindung an das AC Versor-gungsnetz und ein Spannungsband, in dem die Geräte volle Funktionalität haben sollen: 

 

1.    Für ungeregelte Gleichrichter am 3~ 400 V Netz (typisch B6) 540 V Nennspannung mit einem Spannungsband zwischen 485 V und 750 V.
2.    Für ungeregelte Gleichrichter am 3~ 480 V Netz und für geregelte, bi-direktionale active infeed converters (AIC) 650 V Nennspannung mit einem Spannungsband zwischen 600 V und 750 V.

3 Was sind Spannungsbänder?

Spannungsbänder sind vordefinierte Spannungsbereiche, in denen die Komponenten eines DC-Netzes unterschiedliche Funktionalität bereitstellen. Der technische Report 63282 der IEC hat 7 Bänder definiert. Jedes Band Bx ist durch eine obere Spannungsgrenze Ux definiert. Im nominellen Band von 600 V bis 750 V (für geregelte Einspeisung, AIC) arbeiten die Komponenten dauerhaft. 

 

3.1 Was ist das Unterspannungsausfallband B1?

In diesem Band unterhalb von U1 = 400 V arbeiten die Anwendungen nicht. Daher befindet sich das DC-Netz, außer beim Vorladen, nur kurzzeitig in diesem Bereich (z. B. bei Kurzschlüssen). Wenn die Spannung unter U1 fällt, öffnen die Leistungsschalter.

3.2 Was ist das Notfallband B2?

Spannung zwischen 400 V und 485 V (für ungeregelte Gleichrichter an 400 V AC) bzw. zwischen 400 V und 600 V (für AICs und für ungeregelte Gleichrichter an 480 V AC). 
Dieser Bereich ist durch eine große Überlast gekennzeichnet. Die Last muss unbedingt redu-ziert werden, damit das DC Netz nicht in Band B1 wechselt. Geräte dürfen ihre Leistung reduzieren. Aufgrund der zu geringen DC Spannung dürfen AICs hier nur wenige Millisekunden betrieben werden.

3.3 Was ist das nominale Band B3l?

  • 600 V bis 750 V (AICs oder ungeregelte Gleichrichter an 480 V AC).
  • 485 V bis 750 V (ungeregelte Gleichrichter an 400 V AC).

Dieses ist der normale Arbeitsbereich des DC Netzes. Er ist gekennzeichnet durch ein Leistungsgleichgewicht zwischen lokaler Erzeugung (z. B. von PV Anlagen), Einspeisung aus dem AC Netz und dem Verbrauch der Lasten. Alle Geräte des Netzes sind für den dauerhaften Betrieb in diesem Bereich ausgelegt. Einschränkungen der Geräteleistung können sich durch physikalische Randbedingungen ergeben, wie z. B. den Ladezustand von Speichern, die Höhe der Netzspannung bei Versorgungsgeräten, nicht ausreichende Motorspannung oder die Sonneneinstrahlung bei PV.

3.4 Was ist das Überspannungsband B3h?

Spannung zwischen 750 V und 800 V.
In diesem Bereich müssen Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass die Abschaltschwelle der Geräte (800 V) erreicht wird. Dies kann z.B. das Rückspeisen ins AC-Netz, das Aufladen von Energiespeichern aber auch das Zuschalten von Leistungswiderständen sein. Dieser Zustand soll nicht länger als 60 s dauern und Geräte dürfen in diesem Zustand ihre Leistung reduzieren. Dieses Band ist in der TR 63282 bisher nicht enthalten.

3.5 Was ist das temporäre Überspannungsband B4?

Spannung zwischen 800 V und 880 V.
Durch Schalthandlungen, Fehlerfälle und Abbremsen von Antrieben können Überspannungen entstehen. Eine temporäre Überspannung von bis zu 880 V für eine Minute ist für übliche 400 V-Elkos (zwei in Reihenschaltung) unproblematisch. Bei üblicherweise verwendeten 1200 V-Halbleitern kann durch interne Schalthandlungen aber die Grenze der Spannungsfestigkeit erreicht sein; solche Geräte dürfen in diesem Bereich ihre Funktion verlieren, um sich selbst zu schützen. Überspannungsschutzgeräte (SPDs) limitieren in diesem Band noch nicht die Spannung. Befindet sich die Spannung längere Zeit in diesem Bereich (> 5 s), öffnet zum Schutz aller Geräte der vorgelagerte DC-Abzweig.

3.6 Was ist das Überspannungsschutzband B5?

Spannung zwischen 880 V und 1200 V.
In diesem Bereich arbeiten die Überspannungsschutzgeräte (SPDs) und versuchen Geräte vor transienten Überspannungen zu schützen, die durch Schalthandlungen aber auch Blitzeinschläge verursacht werden.

3.7 Was ist das Überspannungsfehlerband B6?

Spannung zwischen 1200 V und 1500 V.
Befindet sich die Spannung in diesem Band sind Geräteschädigungen wahrscheinlich. Durch die dämpfenden Eigenschaften von Leitungslängen und Eingangsfiltern führen kurzzeitige transiente Überspannungen in der Regel nicht zu einer Schädigung von Bauteilen in den Geräten.

3.8 Was ist das verbotene Band B7?

Spannung größer als 1500 V.
In diesem Spannungsband ist eine Schädigung der Geräte (Varistoren, Halbleiter, Kondensatoren) äußerst wahrscheinlich.

4 Wie viel Kabelquerschnitt kann ich durch DC sparen?

Bei gleichen Isolationsanforderungen und gleicher Leistung können etwa 50% Kupferquerschnitt eingespart werden. 

Beispiel für einen 7.5 kW Dreiphasen-Motor, der mit Frequenz¬umrichter betrieben wird (cos⁡φ=0.7,η_Motor=0.887,η_Inverter=0.93): 


AC:
    400 V AC, 4 Leiter (L1, L2, L3, PE)
    Netzstrom = 20 A (Lenze Manual für i550 Inverter) → dies erfordert 2.5 mm² Cu-Querschnitt
    4 × 2.5 mm² = 10 mm² Cu-Querschnitt


DC:
    600 V, 3 Leiter (Plus, Minus, PE)
    15.2 A (P=U×I×η ) erfordern 1.5 mm² Cu-Querschnitt
    3 × 1.5 mm² = 4.5 mm² Cu-Querschnitt


55% weniger Kupfer!

5 Sind Gleichspannungsnetze gefährlicher als Wechselspannungsnetze?

Nein, es gelten die gleichen Sicherheitsregeln wie bei Wechselspannung. Die VDE 0100 und IEC 60364 lassen in der Niederspannungsinstallation bis 1000 V bei AC und 1500 V bei DC zu.

 

 

5.1 Wo sind die notwendigen Schutzmaßnahmen für DC definiert?

Die Sicherheitsgrundnorm IEC 61140 beschreibt die Schutzmaßnahmen bis 1500 V bei DC (und 1000 V bei AC). Siehe auch hier

5.2 Was ist ein Lichtbogen?

Ein Lichtbogen ist heißes, leitfähiges Plasma, ähnlich einem Blitz.

5.2.1 Welche Arten von Lichtbögen gibt es?

Es gibt zwei Arten von Lichtbögen: 

  • Bewusst erzeugte Lichtbögen, wie z.B. beim Elektroschweißen oder beim Öffnen von Schaltkontakten
  • Störlichtbögen bei einem Fehler, z.B. Kabelbruch, Isolationsfehler, Fremdteile in Schaltschränken.

5.2.2 Gibt es Unterschiede bei AC- und DC-Lichtbögen?

Bei DC gibt es keine Stromnulldurchgänge; deshalb müssen in den Schutzorganen zusätzliche Maßnahmen umgesetzt werden.  In mechanischen Schaltern sind dies z.B. Magnetfelder und größere Luftstrecken. Leistungselektronik und hybride Schalter sind weitere Möglichkeiten zur Vermeidung von Lichtbögen in Schaltgeräten. 

5.3 Kann ich AC Schalter für DC verwenden?

Dies lässt sich nicht allgemein beantworten – es hängt von den Spezifikationen des jeweiligen Schalters ab. Oft sind auch AC-Schalter für einen gewissen DC-Spannungsbereich gemäß den spezifischen Herstellerangaben und den Produktnormen zugelassen. 

6 Welche Netzformen gibt es für DC?

Es gibt grundsätzlich die gleichen Netzformen wie bei AC-Systemen, d.h. TN, TT und IT-Systeme. 
Darüber hinaus gibt es für industrielle Anwendungen das AC-seitig geerdete DC-Netz, da die Anlagen üblicherweise an das AC-Netz angebunden sind. 

 

6.1 Wie sieht das AC-seitig geerdete DC-Netz aus?

Der Erdungsbezug wird über die Sternpunkt-Erdung am Transformator des AC-Netzes realisiert. Die Betriebserdung findet zentral am Transformator statt.
 

6.2 Wie sieht das DC IT-Netz aus?

Bei der Variante DC-IT-Netz ist das DC-Netz über einen Trenntransformator vom AC-Netz galvanisch getrennt. Der Grund hierfür ist nicht wie bei einem klassischen IT-Netz, dass das DC-Netz nach einem ersten Erdfehler weiterbetrieben werden soll, sondern es soll die Parallelschaltfähigkeit von Versorgern vereinfacht werden. 
Bei diesem DC-IT-Netz ist bei einem Erdfehler kein Weiterbetrieb erlaubt; die Fehlerstelle muss durch einen Trennschalter möglichst schnell getrennt werden (<10 s).

 

6.3 Wie sieht das mittelpunktgeerdete DC TN-S Netz aus?

Bei dieser Erdungsart ist der Mittelpunkt der DC-Spannung niederohmig geerdet. Das Versorgungsgerät kann dafür z.B. zwei vom AC-Netz galvanisch getrennte DC-Spannungen erzeugen, die in Reihe geschaltet werden und deren Mittelpunkt niederohmig geerdet ist. Neben der galvanischen Trennung wird wie bei der AC-seitigen Erdung eine bipolare Absicherung benötigt.

 

6.4 Was ist die bevorzugte Netzform für DC?

AC-seitig geerdete Systeme empfehlen sich für Anwendungen, die im Umfeld einer AC-Halle installiert werden (Brownfield). IT-Systeme bieten sich für neue Anwendungen an, soweit der Isolationswiderstand hoch ist (Greenfield). Bei ausgedehnten Anlagen mit geringem Isolationswiderstand empfiehlt sich das Mittelpunktgeerdete DC-TN-S-System. Das TT-System mit zwei verschiedenen Erdungspunkten ist nicht geeignet, da bei Potentialunterschieden zwischen den Erdern Streuströme auftreten, die zu verstärkter Korrosion führen können.  

 

7 Welche Optionen gibt es für die Umstellung einer Anwendung von AC auf DC?

1.    Komplette Umstellung von AC auf DC
2.    Modulare Umstellung einzelner Anlagenteile auf DC in vorhandenem AC-System
3.    Nutzen von Endgeräten, die sowohl an AC als auch an DC betrieben werden können
4.    Erweiterung von Anwendungen, in denen es bereits DC-Systeme gibt, z.B. für Rechenzentren

 

7.1 Welche Möglichkeit bietet eine Komplettumstellung von AC auf DC?

Dies bietet sich für neue Anlagen an und nutzt alle Vorteile der DC-Systeme wie Energieeffizienz und Verfügbarkeit wie in Frage 1 beschrieben.
 

7.2 Wo bietet sich eine modulare Umstellung einzelner Anlagenteile von AC auf DC an?

Dies lässt sich in vorhandenen Anlagen bei Ersatz oder Erweiterung leicht und schnell integrieren. Der neue oder ersetzte Anlagenteil wird über ein Versorgungsgerät (AIC) an das AC-System angebunden. 

 

7.3 Wo kann man AC- und DC-fähige Endgeräte einsetzen?

Solche Geräte werden bei industriellen DC-Netzen als Kleinverbraucher über passende Netzteile (DC/AC- bzw. DC/DC-Wandler) integriert. 

 

7.4 Worauf muss bei einer Erweiterung von DC-Anlagen geachtet werden?

Das neue und das vorhandene System können miteinander gekoppelt werden, bei unterschiedlichen Spannungen über DC-DC-Wandler. Hier sollten die Spannungsbänder aus Frage 3 berücksichtigt werden.